Warnung: Nutzt keine Fingerabdruck-Authentifizierung mit Linux! • Curius (2024)

Anlässlich des gestrigen Releases von KDE Plasma 5.24, das die Möglichkeit Fingerabdrücke zur Authentifizierung einzusetzen, offiziell integriert möchte ich hier noch mal explizit davor warnen. Erstens weil biometrische Daten nicht zur Authentifizierung geeignet sind und zweitens weil Linux nicht die sichere Infrastruktur dafür bietet.

Warnung: Nutzt keine Fingerabdruck-Authentifizierung mit Linux! • Curius (1)

Ich hatte vor etwas mehr als einem Jahr, als die Bestrebungen Fahrt aufnahmen, bereits vor dieser Methode gewarnt und möchte das hier noch mal aufgreifen. Biometrische Daten sind nicht nur ungeeignet zur Authentifizierung, sondern Linux bietet nicht die notwendige Infrastruktur, um solche Daten sicher abzulegen. Die Implementierung in Linux ist ein einziges Sicherheitsrisiko und Datenverlust eine plausible Möglichkeit. Nur weil etwas freie Software ist, darf man dem nicht blind vertrauen.

Biometrische Daten zur Authentifizierung

Der erste Punkt ist natürlich, dass man besser keine biometrischen Daten zur Authentifizierung nutzt. Sie vermitteln ein falsches Sicherheitsgefühl und beim Verlust lassen sie sich nicht ersetzen. Kursiert der eigene Fingerabdruck irgendwo, kann man sich schlecht einen neuen generieren lassen. Andererseits nutzten vor dem Aufkommen solcher Verfahren viel zu wenige Anwender sichere PINs oder Passwörter für ihre mobilen Geräte. Entweder schützte man diese gar nicht oder mit simplen Wischmustern. Fingerabdruck oder Gesichtserkennung bieten hier durchaus einen Mehrwert. Mehrwert aber nur, wenn dieser Fingerabdruck sicher gespeichert wird.

Auf keinen Fall mit Linux!

Die größte Gefahr besteht darin, dass der Fingerabdruck verloren geht bzw. gestohlen wird. Google, Apple, Microsoft – sie alle sind sich dessen bei biometrischen Daten bewusst. Alle drei Anbieter haben in ihren Geräten sogenannte Sicherheitschips verbaut (Apple: Secure Enclave; Google: Titan M; Microsoft: TPM) mit denen sie solche Daten schützen. Die Daten der Fingerabdrücke können nicht vom Gerät exportiert werden.

Irgendwer kommt jetzt bestimmt wieder mit proprietärem Code und proprietärer Hardware, der man nicht vertrauen kann. Das ist Mist, mit dem man den desolaten Zustand unter Linux schönredet! Jeder Programmierer macht Fehler, kein Code ist perfekt, manchmal muss man durch die Architektur neue Sicherheitsmethoden einbauen.

Google, Apple & Co haben diese Verfahren sehr effizient eingesetzt, bisher sind trotz milliardenfacher Nutzung keine Daten abhandengekommen. Zudem speichern diese Firmen die Fingerabdrücke nicht als Bild, sondern als Hashwert. Die Apps bekommen durch das ausgefeilte Berechtigungssystem keinen direkten Zugriff auf den Fingerabdruck selbst, sondern führt nur einen Abgleich mit dem Hash durch – grob vereinfacht erklärt. Das sind die technischen Standards zur Verarbeitung biometrischer Daten und sie sind gerade so ausreichend (eigentlich sollten wir gar keine biometrischen Daten verarbeiten!)

Linux kann gar nichts davon! Hinter solchen Frontends wie bei Plasma kommt fprint zum Einsatz, die Authentifizierung erfolgt über PAM. Linux kann momentan noch nicht ausgreift und flächendeckend mit Sicherheitschips umgehen. Die Daten werden somit einfach im System gespeichert (wo auch sonst bei den aktuellen Möglichkeiten?) und können von dort auch mit entsprechenden Rechten exportiert werden.

Und da kommt mir bitte keiner mit dem tollen Berechtigungssystem von UNIX bzw. Linux. Das ist uralt und garantiert nicht für so hoch sensible Daten entworfen worden. Ein kritischer Fehler und sudo, PolKit oder wo auch immer und und wir sitzen richtig im Dreck! Berechtigungskonzepte für Apps haben wir jenseits von Flatpak gar nicht und noch immer kommen genug Helden auf die Idee, grafische Programme mit Administratorrechten zu starten. KDE hat das gerade erst wieder offiziell für Dolphin möglich gemacht.

Ich finde es in Ordnung, wenn Linux-Anwender sagen, die misstrauen Sicherheitschips wie TPM, aber dann lassen sich halt manche Funktionen wie ein biometrisches Authentifizierungsverfahren nicht umsetzen. Man kann nicht alles haben!

Schlussbemerkung

Dieser Text ist sehr hart und sehr plakativ geschrieben und man könnte zu vielen Punkten mehr schreiben und manches differenzieren. Aber anlässlich der Veröffentlichung von KDE Plasma 5.24 gestern, sehe ich mich in der Pflicht hier eindrücklich zu warnen. Es ist schön, wenn Entwickler sich mit so etwas befassen und hier grundlegende Methoden entwickeln. Wenn ein System aber nicht die geeignete Hardware-Infrastuktur hat, dann kann man an einem gewissen Punkt nicht weiter arbeiten.

Wenn Microsoft, Apple oder Google biometrische Authentifizierungsmaßnahmen so stümperhaft umgesetzt hätten, wäre jeder IT-Experte in jeder denkbaren Weise über sie hergefallen. Bei Linux ist das wieder okay, weil es ja freie Software ist und so. Nein, einsehbarer Code schützt nicht vor allem! Wenn hier Daten verloren gehen, kommen Heartbleed, Boothole und Debians OpenSSL-Fiasko zusammen. Will sagen: Dann ist der Ruf von Linux endgültig im Eimer!

Nachtrag 09. Februar 2022:

Anscheinend bin ich mit meiner Meinung hier wenigstens nicht ganz alleine. Durch einen Kommentar auf Linuxnews bin ich auf diesen Bugreport bei Debian aufmerksam geworden, der auf eine entsprechende Diskussion im GitLab von fprint verweist. Bitte folgenden Kommentare zur Kenntnis nehmen:

There are no short-term plans to fixing this. Any attempts at encrypting the fingerprints would just be security through obscurity as the decryption would need to be made available to fprintd and would therefore be available to other processes.

The only way to currently safeguard the fingerprints is to run with SELinux, AppArmor or another LSM enabled, and made sure that only the fprintd binary has access to those saved fingerprints.

Mal abgesehen davon, dass ich selbst die dort angedachten Schutzmaßnahmen für unzureichend halte, nutzt nur Fedora / RHEL SELinux in einer ausreichenden Konfiguration.

Folgende Aussage des Entwicklers bitte sich ebenfalls Gemüte führen:

I think we might entertain such ideas if anyone can actually point to proper research that shows it is feasible. Before then, I will continue to assume that anything like that is impossible.

Bei diesem Problembewusstsein frage ich mich, ob Debakel wirklich noch die ausreichende Beschreibung ist?

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